Rückbildung - alles was du (wirklich, unbedingt!) wissen musst 

 
Hurra! Du hältst dein Baby in den Armen. Endlich ist dein kleiner Schatz da und alles dreht sich um Kuscheln, Füttern/Stillen, Wickeln und darum, dass es deinem Baby gut geht. Die Hebamme (falls du eine ergattert hast) kommt vorbei, gibt dir wichtige Tipps im Umgang mit deinem Baby und kontrolliert, wie deine Rückbildung voranschreitet. Das bedeutet, deine Hebamme tastet deine Gebärmutter ab und gibt dir vielleicht auch die ein- oder andere Übung mit an die Hand. 
Nach deinem Wochenbett hast du in der Regel noch einmal einen Termin bei deinem Gynäkologen, der auch noch einmal abtastet. Wenn „alles in Ordnung“ ist, wars das dann. 
Vielleicht hast du dich für einen guten Rückbildungskurs angemeldet, dann bist du noch einmal 8-10 Wochen in kompetenten Händen. 

Und dann? Nach 4 Monaten ist deine Rückbildung abgeschlossen? Du bist wieder „ganz die Alte“, dein Körper funktioniert wieder so, wie du dir das wünschst? 

Leider ist das in den allerwenigsten Fällen (eigentlich nie – dazu kommen wir noch) der Fall. Und damit sind wir schon beim wichtigsten Fact, den du unbedingt wissen solltest: 
 

RÜCKBILUNG DAUERT VIEL LÄNGER ALS DU DENKST!!! (und lässt sich auch nicht beschleunigen) 

 
Dein Körper muss im ersten Jahr deines Kindes unglaubliches leisten – und damit meine ich nicht (nur) die offensichtlichen Kraftanstrengungen, wie Babytrage-Schleppen, dein Baby tragen, schaukeln, wiegen, Kinderwägen rumzerren u.s.w. (was du im Übrigen so gut es nur irgendwie geht vermeiden solltest!)
Nein, auch in deinem Körper passieren, gerade im ersten Jahr, enorme Umbauprozesse. Rückbildung bedeutet vereinfacht gesagt, dass ALLES, was sich während der Schwangerschaft verändert hat, wieder zum „Normalzustand“ zurück muss. Das sind zum einen natürlich deine Muskeln und Bänder (mehr dazu unter Körperhaltung) und die Gebärmutter, aber auch dein Hormonstatus, dein Herz-Kreislauf-System, deine Atmung und deine Verdauung müssen sich wieder regulieren. Bis der Beckenboden seine Stabilität von „vorher“ erreicht hat, dauert es IM SCHNITT 2,7 Jahre (kann auch mal länger sein…). Experten empfehlen übrigens, den Beckenboden in den ersten 6 Monaten nicht zu kräftigen (mehr dazu: Inkontinenz – häufig aber nicht normal)
Wie lange deine komplette Rückbildung dauert, hängt von ganz vielen verschiedenen Faktoren ab. Wie ist dein Hormonhaushalt? Wie sieht es mit dem Cortisol (Stresshormon) aus? Stillst du? Bist du Erstgebärend oder hast du schon Kinder entbunden? Wie sind deine Lebensumstände (hast du jemanden, der dich unterstützt, kannst du zwischendurch mal durchatmen, bist du Alleinerziehend usw.) und viele weitere Faktoren spielen mit rein.
In jedem Fall ist aber das erste Jahr das Kritischste!!! Falscher Ehrgeiz und ein zu früher Einstieg in dein gewohntes Sportprogramm sind kontraproduktiv, führen langfristig zu Schmerzen und im schlimmsten Fall zu irreversiblen Schäden, die nur operativ behebbar sind.
Achte deshalb sehr, sehr gut darauf, welche Übungen etc. du im ersten Jahr nach der Entbindung machst. Leider machen sich z.B. Organsenkungen, die du mit zu frühem Training und/oder den falschen Übungen zum falschen Zeitpunkt provozierst, oft erst sehr viel später bemerkbar: In den Wechseljahren verändert sich dein Hormonstatus noch einmal komplett – dein Gewebe (und damit auch dein Beckenboden) wird wieder weicher und kann seine Haltefunktion nicht mehr so gut ausführen.

30-50 % der Frauen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Beckenorgansenkung – 10-20% davon benötigen eine Operation. (Quellen: U.a. Yukihiro Hamahata et al 2022,
L. Brubaker et al: ) 
 
 

ACHTE DARAUF, WEM DU DEINE GESUNDHEIT ANVERTRAUST 

Ich arbeite mittlerweile seit über 10 Jahren mit jungen Müttern und kann sagen: Kein Körper nach einer Entbindung gleicht dem anderen. Deshalb ist es eine große Herausforderung jede Mama individuell zu betreuen (v.a. in Rückbildungskursen). Jede Mama bringt andere körperliche Voraussetzungen, andere Lebensumstände, andere Verletzungen (physisch und psychisch) mit. Bevor ich nicht den Bauch „meiner“ Mama angesehen habe, kann ich eigentlich keine Übung mit ihr machen, weil ich nicht weiß, wie es mit der Stabilität in der Tiefe aussieht.
Leider werden die individuellen Faktoren in den Kursen häufig nicht berücksichtigt. Das führt dann immer wieder zu Frust, aber auch zu Schmerzen. Und leider wird das dann oftmals abgetan mit: „Das ist ganz normal“, „das haben viele Frauen nach der Geburt“ etc. Schmerzen beim Training sind aber eben nicht normal, genauso, wie es zwar häufig aber eben NICHT normal ist, Urin zu verlieren. (Mehr Infos zum Thema Inkontinenz findest du hier

Hier ein paar Zahlen für dich: 
·        Knapp 50% der Frauen erleiden während ihres Lebens eine Genitalsenkung (Blase oder Gebärmutter) FAST JEDE 2. FRAU 
·        20-30% der Mütter sind schon vor der Geburt inkontinent 
·        89% der Frauen haben im Wochenbett eine Dysfunktion des Beckenbodens UND noch immer 78% haben diese Dysfunktion 1 Jahr nach der Entbindung!!! 

Deshalb: Achte darauf, wem du deine Gesundheit (v.a. im ersten Jahr nach der Entbindung) anvertraust. 
Falsche Übungen, oder einfach auch Übungen die zur falschen Zeit gemacht werden, können wirklich Schaden anrichten! 
 

Welchen Sport du im ersten Jahr nach der Entbindung nicht machen solltest 

Besonders Frauen, die schon vor der Schwangerschaft sportlich waren und sich gerne bewegen, können es kaum erwarten, endlich wieder aktiv zu werden. Das zusätzliche (Baby)Gewicht muss nicht mehr getragen werden, der Bauch stört nicht mehr bei den (sportlichen) Aktivitäten und viele Frauen möchten schnellstmöglich wieder die Sportschuhe schnüren. Natürlich spielt auch die Optik eine Rolle – wer vorher fit war, möchte wieder in Form kommen. Ich bin ehrlich: Auch nach meinen drei Schwangerschaften war ich hochmotiviert mich endlich wieder ohne störendes Zusatzgewicht zu bewegen.
Viele Angebote knüpfen genau an dieses Bedürfnis der Frauen an. Es gibt unzählige „Weg mit dem Babybauch“-Kurse, Onlineprogramme, Fitnesstrends. Der Markt ist riesig. Was aber leider sehr oft vergessen wird, ist, dass eine Mama im ersten Jahr nach der Entbindung erst einmal heilen und rehabilitieren muss. Und das funktioniert leider bei den Allerwenigsten mit den „klassischen“ Fitnessübungen.
Die Muskulatur muss von innen heraus gekräftigt werden und teilweise ihre Funktion auch erst wieder neu lernen. Unser Körper ist nämlich ein ganz schönes Wunderwerk: Wenn Muskeln durch große Dehnung oder Lageveränderungen (mehr dazu hier) ihre optimalen Funktionsmechanismen einbüßen, übernehmen andere Muskelgruppen diese Bewegungsaufgaben. Manche Muskelgruppen lassen sich auch durch die große Überdehnung, die sie während Schwangerschaft und Entbindung erfahren haben, nicht mehr willentlich ansteuern. Viele Frauen haben nach einer Geburt Probleme, die Beckenbodenmuskulatur oder die tiefe Bauchmuskulatur zu „finden“. Hier muss zuallererst die Verbindung Gehirn/Muskulatur wieder hergestellt werden.
Das Problem: Wenn in der Tiefe (Tiefe Bauchmuskulatur; Transversus abdominis) noch keine Stabilität vorhanden ist und dann die falschen Übungen zu früh gemacht werden (z.B. schräge Bauchmuskulatur trainieren!!), kann das ganz schön nach hinten losgehen. Dann machen nämlich Muskelgruppen plötzlich viel zu viel, spannen an, wo es eigentlich gar nicht ihre Aufgabe wäre und „helfen“ der geschwächten Haltemuskulatur. Rückbildung bedeutet aber: Die Muskulatur und VOR ALLEM die stabilisierende Haltemuskulatur im Inneren so zu trainieren, dass jeder Muskel wieder seine eigentliche Aufgabe erfüllen kann und keine Kompensationsmechanismen gefördert werden.

Kompensationsmechanismen des Körpers führen langfristig immer zu Problemen: Verspannungen, Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfall, Gelenkabnutzungen usw.
In einem guten Rückbildungstraining/Mama-Kursangebot sollte deshalb immer zuerst kontrolliert werden, wie stabil die tiefe Bauchmuskulatur arbeitet und ob sie ihre Halte- und Stützfunktion (schon) ausführen kann. Dabei ist es nicht damit getan, in Rückenlage die Rektusdiastase zu tasten und anschließend munter Übungen im Vierfüßlerstand anzubieten. Wenn du Übungen im Vierfüßlerstand machen möchtest, muss die tiefe Bauchmuskulatur diese Position auch stabilisieren können. (Und das kann sie sehr, sehr, sehr oft am Anfang NICHT!)
Nach einer Entbindung arbeitet deine stabilisierende Haltemuskulatur (noch) nicht funktionell; gleichzeitig ist dein Gewebe und die Haltebänder deiner inneren Organe (insbesondere der Gebärmutter) noch weich und überdehnt. In deinem Inneren ist also einfach noch gar nichts stabil.

Ja, Muskulatur kann man trainieren, aber die Bandstrukturen müssen sich selbst zurückbilden. UND DAS DAUERT!!! Man geht hier von mindestens 9-12 Monate aus. In dieser Zeit solltest du alle Bewegungsformen vermeiden, bei denen deine inneren Organe sich unkontrolliert bewegen können:
·        JOGGEN
·        Alle Sportarten, bei denen du dein Baby in einer Trage o.Ä. an dir hast. Glaube mir: Es ist schwer genug, deinen eigenen Köper zu stabilisieren. Ein Zusatzgewicht ist hier absolut kontraproduktiv
·        Hüpfen
·        Tanzen
·        Sämtliche Ballsportarten (Handball, Tennis, Basketball usw.)
·        Reiten
·        Seilspringen
·        Trampolin springen
·        Yoga, Pilates etc.: Hier kommt es darauf an, welches Fachwissen sich dein Trainer/deine Trainerin angeeignet hat und wie individuell auf deinen Körper eingegangen werden kann
·        …


Bitte denke immer daran: Eine Schwangerschaft dauert i.d.R. zwischen 36 und 40 Wochen. 10 Monate, in denen sich -neben der Tatsache, dass ein kleiner Mensch in dir heranwächst- in deinem Körper wahnsinnig viel verändert. All diese Veränderungen müssen nach der Entbindung ZURÜCKGEBILDET werden. Und Rückwärts geht’s nun mal nicht schneller als vorwärts. Nutze das erste Jahr nach der Geburt um mit den richtigen Übungen von innen heraus zu heilen, zu rehabilitieren und dich zu stabilisieren. Allerspätestens dein Menopausen-ICH wird dir dieses Jahr von Herzen danken, wenn deine Freundinnen sich über Inkontinenz-Produkte, Haltungsschäden oder Beckenorgansenkungen (fast jede 2. Frau!!!) unterhalten. „Hätte ich doch damals,…“, „Wenn ich das gewusst hätte,…“
 
Und: Die Zeit der Rückbildung ist nicht die Zeit, in der du fitter werden musst, als du es jemals zuvor warst! Dafür ist noch genug Zeit, wenn dein Körper geheilt und stabil ist! 

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Rückbildung für Sportliche

 

Du bist immer in Action, achtest auf deinen Körper, treibst viel Sport und bist immer in Bewegung. Dein Baby ist gerade auf der Welt und du kannst es kaum abwarten, wieder voll durchzustarten. 

Du bist der Meinung, Wahrnehmungs- und Atemübungen sind langweilig, bringen dich nicht weiter und machen dich nicht fit für deinen Alltag mit Baby? Außerdem hast du ja ein starkes Muskelkorsett und „von nichts kommt nichts?“ Also rein in die Übungen, Bauch-weg-Training, Joggen, Stabilitätsübungen wie Planks und co.? 

Es tut mir leid, dass ich hier der Spielverderber sein muss! Ich muss dir sagen, dass du alles, was du im ersten Jahr nach der Geburt zu schnell, zu viel, zu unkontrolliert machst, bitter bereuen wirst. Und leider ist es für die Rückbildung deiner inneren Strukturen (Bauch- und Beckenbodenmuskulatur, Haltebänder, Fasziales Gewebe) völlig egal, ob du vor deiner Geburt Couch-Potatoe oder Leistungssportlerin warst. Bitte verstehe mich nicht falsch: Natürlich ist Sport und Bewegung an sich immer super; vor der Schwangerschaft, während der Schwangerschaft – ja: aktive Frauen haben viele Vorteile auch während der Geburt. ABER: Mindestens im ersten dreiviertel Jahr nach der Geburt braucht dein Körper Regeneration und Rehabilitation. Oder hast du schon mal gehört, dass bei einer Bänderdehnung im Sprunggelenk unterschieden wird, ob die Frau sportlich ist oder nicht? – Eben, eine schwere Bänderdehnung braucht nun mal ca. 3 Wochen um auszuheilen. Bei der Marathonläuferin genauso wie bei der eher korpulenten, unsportlichen Frau. 

Natürlich musst du nicht ein Jahr lang rumliegen und dich schonen. Du kannst natürlich deine Muskulatur trainieren und deinen Körper von innen heraus stabilisieren. Aber bitte mache das mit den richtigen Übungen und von innen nach außen, immer im Tempo des Heilungsprozesses der inneren Strukturen!!! 

Überlastete, Fehlbelastete und überkompensierende Muskeln bringen dir für die Zukunft nur eines: (Rücken-)Schmerzen, Beckenboden- und Inkontinenzprobleme und Einlagen in deiner Menopause. 

Dein Training muss auch nicht langweilig und anspruchslos sein: Beintraining für deinen Beckenboden kann dich durchaus auch ohne „Rumgehüpfe“ auspowern und an deine Grenzen bringen. 

Wenn du noch mehr Argumente brauchst, dann schau gerne in meinen Blog zum Thema Inkontinenz und Organsenkungsproblematik – Themen, mit denen jede 2. Frau zu kämpfen hat. 

Und nein, gezieltes, funktionelles Training das dich von innen heraus stärkt und fit für dein Training nach dem 1. Jahr postpartal macht, ist keine „veraltete“ Methode, wie es so mancher Fitness-Influencer behauptet. Hartnäckig wird in diesen Kreisen behauptet es braucht Sit-ups, Planks und co. um zu regenerieren und „fit für den Alltag“ zu werden. Vielleicht empfehlen diese „Sportskanonen“ aber auch Trampolinspringen als Training bei Bänderdehnung 😉 

 

Übringens zum Thema „Leistungssportlerinnen trainieren ja auch sofort wieder normal“: 

67% der Turnerinnen und 85% der Trampolinspringerinnen leiden ohne je entbunden zu haben unter Inkontinenz. Leistungssport ist einfach ein ganz anderes Thema – hier geht es auch nicht um die Gesunderhaltung des Körpers der Sportlerinnen. Hier ist Sport = Beruf/Geld verdienen. Und dafür werden die körperlichen Symptome in Kauf genommen.