Inkontinenz - häufig aber nicht normal
Tatsächlich leiden bereits während der Schwangerschaft 20-30% der Frauen unter Inkontinenz.
Nach der Geburt berichten über 30% der Frauen über unkontrollierten Harnverlust und das Dramatische dabei ist: Noch 76% dieser Frauen leiden auch 12 Jahre später an Inkontinenz. (Ludwig S. et al, 2023, EPAD Study)
Abwarten, dass sich die Symptome bessern, ist hier also leider kein probates Mittel.
Im Übrigen sprechen wir hier von Zahlen, die für Erstgebärende erhoben worden sind. Nach der 2. Geburt leiden schon 48% der Frauen unter Inkontinenz.
Leider kursieren selbst in Fachkreisen noch viele überholte Meinungen und Empfehlungen, die mittlerweile einfach nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung entsprechen.
Aussagen wie:
- Inkontinenz nach einer Entbindung ist normal
- Eine Belastungsinkontinenz geht von alleine wieder weg
- Beckenbodentraining im klassischen Sinne (Anspannen/Entspannen) ist schon ab dem Wochenbett hilfreich sind schlicht und ergreifend FALSCH!
Beckenbodenspezialisten wie der renommierte Facharzt für Urogynäkologie Dr. Rainer Lange empfehlen Frauen nach der Entbindung
- In jedem Fall ein Pessar anpassen zu lassen (auch, wenn keine Inkontinenz-Problematik vorliegt). In Fachkreisen wird empfohlen, das Tragen eines Pessars als Standardbehandlung nach einer Geburt zu implementieren.
- In den ersten 6 Monaten nach der Geburt den Beckenboden NICHT mit Kräftigungsübungen zu überlasten. Das immer noch gern gemachte Beckenboden anspannen, halten, etc. ist im ersten halben Jahr nicht sinnvoll
Was ich dir empfehle:
Wenn du die Entbindung deines Kindes noch vor dir hast, empfehle ich dir unbedingt präventiv ein funktionelles Beckenbodentraining. Und NEIN! Beckenbodentraining ist nicht: Beckenboden anspannen, Halten, eine Orange oder was auch immer auspressen. Das ist nicht funktionell – entspricht also nicht der eigentlichen Funktion unseres Beckenbodens!
Wenn du bereits entbunden hast, empfehle ich dir dringend, ein Pessar anpassen zu lassen. Frag dazu bei deinem Gynäkologen nach oder vielleicht findest du in deiner Nähe eine Physiotherapeutin, die sich mit diesem Thema auskennt.
Wenn du bereits Probleme mit Inkontinenz hast, ist es immer hilfreich, dich mit einem Trink- und Miktionsprotokoll (=Toilettenprotokoll) an eine Fachperson zu wenden – beobachte und notiere dazu ein paar Tage dein Trinkverhalten und notiere die Häufigkeit und Menge deiner Toilettengänge. Du wirst nicht glauben, welche Erfolge man mit der richtigen Interpretation dieser Protokolle erzielen kann.
Wende dich mit deinem Problem an ausgebildetes Fachpersonal, das auf dem aktuellen Stand ist. Es gibt gute Physiotherapeutinnen, die sich auf die postpartale Betreuung spezialisiert haben oder vielleicht hast du sogar ein Beckenbodenzentrum in deiner Nähe.